Klappermühlen
Der Klang des Sommers im Alten Land
Obwohl die Welt vor vierzig Jahren noch viel leiser war als sie es heute ist, war es im Alten Land im Sommer generell laut! In meiner Kindheit und Jugendzeit war es üblich, morgens um 6 Uhr von Kanonenlärm, wilden menschlichen Schreien, Motorrad-ohne-Auspuff-Lärm, Handrasseln und vor allem von Klappermühlen geweckt zu werden. Zum Glück konnte ich damals ziemlich gut schlafen, und der Lärm hat mir nicht den Schlaf geraubt.
Die mechanischen Klappermühlen waren am prägendsten, weil sie eigentlich den ganzen Tag über geklappert haben (je nach Wind) - später auch die Gaskanonen, weil sie automatisch funktionierten, und der Mensch nicht anwesend sein musste.
Für Leute, die nicht aus dem Alten Land kommen, oder für jüngere Generationen sei erklärt, dass Klappermühlen Windräder an langen Stangen waren, die Krach gemacht haben. Das war notwendig, um die Kirschernte zu schützen. Stare (Vogelart), auch "Spreen" genannt (Plattdeutsch), mögen Kirschen nämlich genauso gerne wie wir, und im Sommer fielen ganze Scharen in die Kirschbäume ein und fraßen sich satt - wenn . . . ja, wenn man nicht "Spreen" gehütet hat, um die Vögel zu vertreiben.
Die menschliche Methode funktionierte am besten, und als Kinder haben wir uns oft etwas Taschengeld verdient mit "laut sein' und "Krach machen", wo gab's sonst so einen Job - meistens musste man doch leise sein. Aber die Altländer Bauern waren erfinderisch, und es gab in den 1980'ern diese Gaskanonen, die alle paar Sekunden einen Kanonenschuss (lauten Knall) abgaben - und eben Klappermühlen, die für viele Jahrzehnte das "Spreenhüten" übernommen haben. Es ist unklar, seit wann es Klappermühlen gibt oder wer sie erfunden hat. Sie wurden Mitte des 19. Jahrhunderts populär und kamen zum Einsatz, sobald die Kirschen am Baum rot wurden. Normalerweise war das von Anfang Juni bis in den August hinein, wenn die Kirschen schließlich abgeerntet waren. Zuerst klapperten diese Mühlen Tag und Nacht, aber irgendwann mussten die Bauern sie nachts ‘abstellen’.
Seit Ende der 1980'er Jahre ist all dies Vergangenheit, und man kann sich heute nur schwer vorstellen, wie es damals im Sommer im Alten Land klang. Seitdem werden Kirschplantagen eingenetzt, oder die Plantage wird gleich ganz unter Plastikfolie und -dächern betrieben (was auch den Vorteil hat, dass Regen oder Hagel den Kirschen nichts anhaben können - denn das war früher auch ein Grund, warum die Kirschernte ausfallen konnte). Es ist leider auch so, dass es heutzutage viel weniger "Spreen" gibt als früher. Die Vögel sind fast gänzlich ausgestorben.
Ich bin 1989 weggezogen und seitdem nur noch im Alten Land, wenn ich die Familie besuche, aber nie mehr den ganzen Sommer über. Aber ich erinnere mich gerne an die Sommerferien, in denen es nicht viel zu tun gab, außer dem Lärm zuzuhören. Klappermühlen waren faszinierend, waren sie doch vom Wind abhängig. Es gab Tage, die völlig windstill waren (dann oftmals schwül, was die "Spreen" besonders gerne hatten), und die Klappermühlen, haben nur ab und zu einmal geklappert. An anderen Tagen ging ein wenig Wind, und die Klappermühlen haben ganz unregelmäßig geklappert, mal schnell, mal langsam und für Musikerohren ziemlich unrhythmisch. An Tagen mit viel Wind waren sie natürlich den ganzen Tag am Klappern, aber auch dann nie in einem anhaltenden Rhythmus, sondern immer in verschiedenen Geschwindigkeiten. Windige Tage mochten auch die "Spreen" nicht so gerne und ließen sich dann nicht so oft blicken.
Im Jahr 2015 hörte ich von der Kampagne „Save Our Sounds“ der British Library (die Nationalbibliothek des Vereinigten Königreichs). Das brachte mich zu der Erkenntnis, dass das Geräusch der klappernden Mühle – ein Klang, der im Sommer über viele Jahrzehnte hinweg das Alte Land erfüllte – für immer aus der Welt verschwunden war. Eine lange Suche nach diesen Geräten begann, und schließlich fand ich im Sommer 2025 einen Freund, der einige davon seit Jahren in seiner Scheune herumliegen hatte. Nach ein paar Tagen des Zusammenbauens ist es mir gelungen, einige Aufnahmen von den Klappermühlen zu machen, die ich nun teilen möchte.
Mein Lied "Klappermühle / Chattering Mill" soll das Verhalten und soweit möglich den Klang der Klappermühlen darstellen. Ich habe bewusst nicht auf das Metronom geachtet, und auch mein Spielen soll eher Unregelmäßigkeiten - wie verschiedene Windstärken - darstellen. Am Liedanfang ist der Wind eher flau, dann kommen ab und zu mal ein paar Böen. Im Mittelteil gibt es einen Tag mit viel Wind, bevor es danach wieder ruhiger wird.
Der Klang der Klappermühlen
Klappermühlen bei der Arbeit
Sönkes Klavierstück Klappermühle / Chattering Mill